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Die Macht des Autopiloten

Christinas Handgriffe morgens auf dem Bahnsteig: Sie denkt nicht darüber nach, wenn sie in ihre Jackentasche greift, das Päckchen herausholt, die Zigarette anzündet und am Filter zieht. Erst beim Ausatmen, wenn sie in die Glut an dem mickrigen Stängelchen schaut und realisiert, dass sie frierend in der Raucherecke steht, denkt sie, dass sie das eigentlich nicht braucht – und trotzdem tut.

Gewohnheiten bestimmen unser Leben – ob sie hilfreich sind oder schaden. Im Verborgenen lotsen sie uns durch den Tag: Wie lange wir morgens brauchen, welche Musik wir wählen, wie oft wir unsere Emails checken, Sport treiben, Süßes und Fettiges essen oder auf welche Art wir mit unseren Kindern sprechen – all das bestimmen Gewohnheiten, wir laufen täglich zwischen 30 und 50 Prozent auf Autopilot.

Wenn sie mit unseren Zielen übereinstimmen, können sie uns nützlich sein, manchmal sind sie sogar überlebenswichtig.

Sind sie das nicht, stören sie oft, rauben uns Zeit, Energie und schädigen auch manchmal unsere Gesundheit. Wir hängen am Gängelband unserer Gewohnheiten, die durch Wiederholungen entstehen und quasi eine „zweite Natur“ des Menschen bilden.

Unsere Gewohnheiten bestimmen unsere körperliche Verfassung, ob wir glücklich oder unglücklich sind und wie wir mit anderen umgehen.

Was nun, wenn wir unser Leben verbessern, eine Gewohnheit ändern wollen? Was können wir tun?

Unsere Ratio ist nicht der Chef im Ring unseres Gehirns. Die alltäglichen Verhaltensweisen sind so stark habitualisiert, dass die bloße Absicht, sie zu ändern, nichts bringt.

Man kann sein Verhalten nur ändern, wenn man dessen Innen-Architektur versteht.

Jede Gewohnheit entwickelt sich in drei Schritten:

1. Auslöser (ein Schlüsselreiz, der das Verhalten auslöst)

2. Routine (das Verhalten an sich) und

3. Belohnung (das Gefühl, das der Routine folgt)

Gelernt habe ich dies von Charles Duhigg, der in seinem Buch von den 3Rs (Reminder, Routine and Reward) fundiert über Gewohnheiten schreibt. Wissenschaftlich unterlegt wird dies durch Stanford‘s Professor Fogg.

1. Das Telefon klingelt (Auslöser). Der Klingelton veranlasst uns

2. die grüne Taste zu drücken (Routine) um zu antworten und

3. wir finden heraus, wer uns anruft (Belohnung). Diese Belohnung (oder Bestrafung, je nachdem wer dran ist) ist der Nutzen, den wir für unser Verhalten erhalten.

Bei positivem Nutzen wiederholen wir beim gleichen Auslöser gerne die Routine. Durch die Wiederholung entstehen unsere Gewohnheiten.

Jegliche Gewohnheit folgt den drei Schritten:

Auslöser -> Routine -> Belohnung

Es handelt sich um automatisierte Kleinstprogramme, die das Gehirn auf Schlüsselreize hin automatisch abspult.

Charles Duhigg behauptet, dass es einfacher ist, eine Gewohnheit durch eine andere zu ersetzen, als mit Willensstärke die schlechte Gewohnheit ersatzlos zu streichen.

Woher kommen unsere schlechten Gewohnheiten?

Die meisten der schlechten Gewohnheiten entstehen durch…Stress und/oder Langeweile.

Nägel beissen, Kauftherapie, Zeitverschwendung am TV oder Internet sind höchstwahrscheinlich Kompensationen für Stress und/oder Langeweile.

Alle Gewohnheiten haben eine Ursache. Selbst die kleinen negativen Gewohnheiten erfüllen einen Zweck für uns.

Zum Beispiel mag das Lesen der Emails auf dem Smartphone uns das Gefühl geben, dass wir mit der Welt verbunden sind, doch reduziert es gleichzeitig unsere Produktivität, stört unsere Aufmerksamkeit und kann Stress bedeuten.

Aber es verhindert das Gefühl etwas zu verpassen … und so tun wir es immer wieder.

 

Es gilt also, einen Ersatz für die schlechte Routine zu finden, der uns gleichzeitig erfüllt.

Das geht so:

1. Schritt: Einen Auslöser für die neue Gewohnheit definieren.

Verlassen wir uns nur auf unser Gedächtnis und unsere Motivation, um uns eine neue Gewohnheit anzueignen, dann – allzu menschlich – ist die Gefahr gross, dass wir versagen.

Deshalb ist die Wahl des Auslösers der kritische Faktor. Am besten wir finden einen Auslöser, den wir bereits gewohnheitsmässig ausführen.

Es gibt viele Aktionen, die wir als Auslöser definieren können. Zum Beispiel:

Zähne putzen, duschen, Frühstücks-Kaffee trinken, Schuhe anziehen, Licht ausschalten oder ins Bett gehen.

Oder wir halten uns an Dinge, die uns widerfahren:

Die Ampel schaltet auf Rot, wir erhalten eine Text Message oder es wird dunkel.

Nehmen wir an, Sie möchten sich glücklicher fühlen.

Dankbar zu sein, ist nachweislich ein Weg, um sich glücklicher zu fühlen. Demnach könnten Sie sich vornehmen, immer nach dem Frühstück oder nach der Dusche an etwas zu denken, für das Sie dankbar sind.

2. Schritt: Eine Gewohnheit wählen, die einfach zu erfüllen ist, und die schlechte ersetzt.

Wie einfach soll es sein, wenn grosse Veränderungen einem Prozess unterliegen und Zeit benötigen? Professor Fogg schlägt vor, dass wenn man z.B. endlich die Zähne regelmässig flossen will, man mit nur einem Zahn beginnen soll.

Zu Beginn einer neuen Gewohnheit genügt es, in kleinen Schritten zu handeln. Ist der kleine Schritt Gewohnheit geworden, ist es Zeit für den nächsten kleinen Schritt.

3. Schritt: Die Belohnung definieren.

Um eine Aktion zu wiederholen, muss sie uns ein gutes Gefühl geben.

Deshalb braucht es eine Belohnung, jedes Mal wenn wir etwas vollbracht haben. Das muss nicht die Schokolade sein. Es reicht, sich zu sagen:

„Das habe ich gut gemacht, ich mache Fortschritte, so sieht Erfolg aus etc.“

Wenn wir eine Gewohnheit als wirklich wichtig erachten, dann ist es einfach, am Drücker zu bleiben. Wenn wir etwas ändern wollen, weil andere das für wichtig halten, sind die Erfolgschancen deutlich geringer.

Probieren geht über Studieren. Es gibt nichts Gutes ausser man tut es.

„Der Mensch mache sich nur irgendeine würdige Gewohnheit zu eigen, an der er sich die Lust in heiteren Tagen erhöhen und in trüben Tagen aufrichten kann. Er gewöhne sich zum Beispiel, täglich im Homer zu lesen oder Medaillen oder schöne Bilder zu schauen oder gute Musik zu hören.“

Johann Wolgang von Goethe

Fussnoten:

Photo: Huffington Post
Inspiriert bei James Clear
BJ Fogg bietet einen kostenlosen „Tiny Habits“ On-line Kurs (auf Englisch) an.

 

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